In Deutschland entwickelte der Geiger und Tanzmeister Pantaleon Hebenstreit (1667-1750) eine besondere Variante des Instruments. Er erweiterte den Tonumfang des bäuerlichen Hackbretts stark und machte aus dem diatonischen ein chromatisches Instrument. Er brachte es auf seinem vervollkommneten Hackbrett zu solcher Kunstfertigkeit, dass er in einer atemberaubenden Karriere zu einem der gefragtesten Virtuosen seiner Zeit avancierte. 1705 konzertierte er in Versailles vor Ludwig XIV. – der das Instrument nach seinem Erfinder getauft haben soll –, trat 1708 vor dem Kaiser in Wien auf und wurde schließlich 1714 als Pantaleonist zum Mitglied der Dresdener Hofkapelle berufen, dem damals berühmtesten Orchester Europas. Hebenstreit hatte auch mehrere Schüler, die zu großem Ruhm gelangten, unter ihnen Maximilian Hellmann, für den Caldara in Wien komponierte.
Es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Popularität des Pantaleons dem späteren Siegeszug des Hammerklaviers den Boden bereitet hat: Um 1730 experimentierten mehrere mitteldeutsche Clavierbauer mit
einer oberschlägigen Hammermechanik. Verschiedene Saitenbezüge sowie die Wahl zwischen Schlägeln, welche mit unterschiedlichen Materialien überzogen sein konnten, verliehen dem Pantaleon einen
überwältigenden Klangfarbenreichtum und große dynamische Differenzierungsfähigkeit. Der große Tonumfang und die Möglichkeit, durch zweistimmigen Anschlag und Arpeggieren Harmonie darzustellen, sowie
Klangfülle und Farbigkeit hoben das Pantaleon in den Rang eines »aus einem elenden Hackebret zum vollständigsten und noch vollkommner als das Clavecin gewordene[n] Instrument[s]« (Jacob von Stählin
in Johann Adam Hiller, Musikalische Nachrichten und Anmerkungen, Leipzig 1770), »in deme es das warhafte Forte Piano ist, da die heutigen Fortepiano keinen Schatten davon seind.« (Johann Jacob
Christoph Kachel, Kurtzer historisch Critischer Versuch über die Alte, Mittlere und Neue Music, Basel 1792).
Als Gründe für das Verschwinden des Instruments in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts werden ungelöste Konstruktionsprobleme, die sperrige Größe des Instruments, die Schwierigkeit des Stimmens
und die hohen Instandhaltungskosten der vielen Saiten, aber auch die enormen Schwierigkeiten seiner Beherrschung genannt.
Da weder orignale Instrumente erhalten, noch Baupläne oder technisch konkretere Beschreibungen, nicht einmal unumstrittene Abbildungen des legendären Pantaleons überliefert sind, da überdies wenig
originale Musik für das Pantaleon selbst überliefert ist und es scheint, daß die Virtuosen des 18. Jahrhunderts hauptsächlich Improvisationen und Bearbeitungen vortrugen, bietet sich dem
Zusammenspiel von historischer Forschung und kreativer Fantasie hier ein weiter Raum. Zur Wiedergabe des überlieferten Originalrepertoires für das Pantaleon scheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt das
Salzburger Tenorhackbrett das geeignetste Instrument zu sein.
Margit Übellacker